Tag 53: Wandergesellschaft

Als ich nachts nochmal aus dem Zelt gucke, ist der Mond hinter den Bäumen hervorgekommen und leuchtet mir mit seinem kühlen, matten Zwielicht mitten ins Gesicht. Jetzt ist die Caspar David Friedrich-Stimmung komplett.

Die ganze Nacht über rauscht unter mir zwischen den Felsen das Wasser. Eigentlich ist es also ziemlich laut, aber irgendwie trotzdem sehr still. Morgens nach dem Einpacken sitze ich noch einige Augenblicke auf den Steinen und schaue auf die Ursache dieser tosenden Waldesruhe hinab. Eine Fichte ist über die Stromschnellen gefallen, doch keine Sorge, nicht heute Nacht, die lag gestern schon. Zwar raubt sie ein wenig die Sicht auf die sprudelnden Wassermassen, sorgt aber gleichzeitig auch irgendwie für eine sehr wilde Stimmung.

Dann geht's los. Die heutige Etappe beginnt genau wie die gestrige aufgehört hat: mit Kiefernwald, denn der verschwindet schließlich nicht über Nacht.

Obwohl ich mich der Provinzhauptstadt Jönköping mit immerhin rund 95.000 Einwohnern nähere, bleibt es noch lange erstaunlich ruhig und ländlich. 

Auf dem Boden zwischen den Bäumen blühen die Buschwindröschen als hätte jemand überall im Wald einen grünen Teppich mit weißen Sternen ausgelegt.

In diesem wunderschönen Ambiente machen Bernoscha und ich kurz vor Jönköping eine ausgedehnte Butterbrot- bzw. Blumenpause.

Frisch gestärkt meistern wir das letzte bisschen Hoch und Runter auf der Landstraße spielend.

Nach der nächsten Kurve tauchen die ersten Häuser auf und dann kommt auch schon der riesengroße Vätternsee in Sicht. An einer stark befahrenen Straße entlang laufe ich direkt aufs Stadtzentrum zu zum Hauptbahnhof.

Keinen Schreck kriegen, die Tour geht weiter. Ich will nur jemanden abholen. Mein Freund Lukas und sein Sohn Consti kommen aus Berlin angereist, um mich bis nächsten Freitag zu begleiten. Es geht jetzt also für eine Woche zu dritt weiter und darüber freue ich mich sehr! Stille habe ich während der letzten Monate in allen möglichen Ausführungen genossen, gehört, gesehen, gefühlt... Das war wunderbar, doch ein bisschen Abwechslung, Gespräch, Austausch und gemeinsames Erleben werden mir guttun. 

Unser Wandern beginnt mit einem furiosen Einstieg am Vätternsee entlang. Jönköping ist keine allzu spektakuläre Stadt, doch einen beeindruckenden See hat sie zu bieten, das muss man ihr lassen. 

Es gibt sogar einen richtigen Sandstrand mit Wellengang, Möwen kreisen in der Luft und manchmal fühlt es sich für einen kurzen Augenblick so an, als würde die Luft salzig schmecken. Tut sie natürlich nicht wirklich, der Vättern ist zwar groß wie ein Binnenmeer, aber dennoch ein Süßwassersee.

Heute laufen wir noch keine ganz lange Etappe, sondern nur einen Ort weiter bis nach Huskvarna.

Je näher wir unserem Ziel kommen, desto besser wird das Wetter. Am späten Nachmittag reißt der Himmel so richtig schön auf und von der grauen, undurchdringlichen Wolkendecke bleiben nur noch ein paar Schäfchenwolken übrig.

In Huskvarna haben wir uns ein Zimmer im Hostel gemietet. Seit meinem Aufbruch aus Berlin am 7. März wird das heute die erste Nacht auf einer weichen Matratze in einem richtigen Haus sein. 

Mal sehen, ob ich unter so ungewöhnlichen Bedingungen überhaupt noch schlafen kann.