Tag 145: Bernoscha - Ein Heldenepos

Früh morgens liegt wie gestern Nebel über dem See.

Doch schon beim Zusammenpacken ist der Himmel blau und die Sonne scheint so kräftig, dass mein Zelt komplett trocken wird, während Bernoscha in den Startlöchern sitzt und zum Aufbruch drängt.

Es ist nochmal ein richtig schöner Sommertag, nur ohne Mücken. Vor ein paar Wochen wäre das Wandern in einer so seen-, sumpf- und waldreichen Gegend sicher kein Vergnügen gewesen. Aber jetzt kann ich mich ungestört über das glitzernde Wasser freuen...

...und über den Birkenwald...

...mit seinen mal felsigen...

...mal sumpfigen Pfaden.

Und natürlich strömt es auch wieder reichlich am und über den Weg... 

...von klein...

...bis groß...

...und von laut...

...bis leise.

Doch zähle ich heute nicht, denn da auf straßenlosem Sumpfland ohnehin nicht mit Autos zu rechnen ist, ist ja sowieso klar, dass erneut der Bach gewinnen würde.

Ich könnte höchstens versuchen, die Sümpfe zu zählen.

Doch die gehen so nahtlos ineinander über, dass ich nur schwer sagen kann, wo ein alter Sumpf endet und ein neuer beginnt.

Also bleibt es dabei: Ich zähle heute nichts. Wichtig ist ja auch eigentlich nur, dass ich immer genug Wasser zum Trinken finde, und da kann ich mich nicht beklagen.

Bernoscha allerdings gibt zu Protokoll, dass für ihn auch die Überquerung kleinster Fließgewässer ein anstrengendes und risikobehaftetes Unterfangen darstellt und er sein Tagespensum deshalb wenigstens im Nachhinein genau beziffert wissen möchte. 

Das ist natürlich nachvollziehbar, und Bernoscha zählt also fleißig...

...alles, was da fließt und strömt, bis in den Sonnenuntergang.

Bei Ankunft am Schlafplatz behauptet er steif und fest 50. Das klingt auch für mich erstmal nach ziemlich viel, doch muss man berücksichtigen, dass in Bernoschas Zählung auch sehr kleine Ströme eingehen, die größeren Wesen vermutlich entgangen wären. Im Übrigen darf man es ihm nicht übelnehmen, wenn er, angesichts der Gefahr, in die er sich mit jeder Bachüberquerung begibt, ein bisschen heldenepisch aufrundet. 

Nachdem ich das Zelt aufgebaut habe, muss ich erstmal dringend was essen. Aus meinem Tütensuppenvorrat gibt's heute die Västkustsoppa, im Wesentlichen eine Art Krabbensuppe. Allerdings müssen, damit ich irgendwie satt davon werde, schon noch ein paar Nudeln mit rein.

Superheld Bernoscha benötigt all das selbstverständlich nicht. "travel light - no budget" ist sein Motto, mit dem er es für ein so kleines Schaf bereits erstaunlich weit gebracht hat. Eine weiche Unterlage und ein leichtes Deckchen oben drüber nimmt er nach einem harten Tag im Fjäll zwar gerne an, ansonsten jedoch ist er beneidenswert bedürfnislos.

Schweden, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2023. Dies sind die Abenteuer des ersten, einzigen und kleinsten Schafs, das zu Huf, auf dem Bauch und im Täschchen am Rucksackgurt viele Lichtjahre vom heimischen Stall entfernt in Birkenwälder, Sümpfe und auf Berge vordringt, die nie zuvor ein Schaf gesehen hat... Die nächste Folge gibt's morgen - garantiert mit noch mehr Bächen, Seen, Bäumen etc. und vielleicht komme ich auch wieder mehr darin vor.